Am 24. März 2022 erfolgte eine vorläufige Einigung über das Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA) sowie am 23. April 2022 über das Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA). Am 05. Juli 2022 stimmte das Europäische Parlament beiden Gesetzen zu. Nach einer formellen Zustimmung des Rates der Europäischen Union treten die Verordnungen vermutlich im Herbst dieses Jahres in allen EU-Staaten in Kraft. Die Gesetze bilden zusammen eine grundlegende Erneuerung der europäischen Gesetzgebung im digitalen Raum und erweitern damit das E-Commerce Directive aus dem Jahr 2000. Wobei sich der DMA hauptsächlich mit Themen des Online-Handels, wie etwa der Reduzierung von Eintrittsbarrieren im Markt der Online-Plattformen, beschäftigt, konzentriert sich der DSA darauf, ein transparentes und sicheres Online-Umfeld zu fördern, in dem die Verantwortlichkeiten und die Rechenschaftspflicht für eine Reihe von Anbietern digitaler Dienste definiert sind.
Wen adressiert das Gesetzespaket?
Das Gesetz stuft Online-Akteure nach ihrer Rolle, Größe und Einfluss auf das digitale Umfeld in Gruppen ein und veranlasst Regelungen speziell für diese Gruppen. Dabei wird mit den folgenden Einstufungen nach Artikel 2 gearbeitet:
- Vermittlungsdienste (Intermediary services), die Netzinfrastrukturen anbieten: Internet-Zugangsanbieter, Domain-Namen-Registrierungsstellen
- Vermittlungsdienste mit Hosting Funktion (Hosting services), wie Cloud- und Webhosting-Dienste
- Online-Plattformen (Online platforms), die Verkäufer und Verbraucher zusammenbringen, wie z. B. Online-Marktplätze, App-Stores, Plattformen der kollaborativen Wirtschaft und Social-Media-Plattformen
- Sehr große Online-Plattformen (Very large platforms) gelten als solche, wenn diese mehr als 45 Millionen monatliche Nutzer haben. Sie haben damit einen besonders starken Einfluss auf Gesellschaft und Wirtschaft und erfordern deshalb besondere Vorschriften
Welche Pflichten werden den Anbietern auferlegt?
Die Themen Transparenz, Berichte und der Schutz von grundlegenden Rechten durch das Zustimmen zu allgemeinen Geschäftsbedingungen bilden wichtige Kernbotschaften des DSA und gelten daher für alle Gruppen (Artikel 12 & 13). Der Dienst-Betreiber hat dafür zu sorgen, dass es eine zentrale Ansprechstelle gibt, die eine staatliche Behörde kontaktieren kann (Artikel 10). Sollte die Firma keinen Sitz in der EU haben, möchte aber ihre Dienste in der EU anbieten, so ist sie verpflichtet, einen rechtlichen Repräsentanten bereitzustellen (Artikel 11).
Weiterhin sind alle Anbieter dazu verpflichtet, eine verantwortungsvolle Inhaltsmoderation durchzusetzen. Sowohl das Algorithmen-basierte Löschen von Inhalten, als auch die Arbeit von menschlicher Inhaltskontrolle muss regelmäßig überprüft werden (Artikel 12). Für Online-Plattformen wie auch für Vermittlungsdienste mit Hosting Funktion gilt weiterhin:
- Es muss einen klar definierten Mechanismus geben, der es dritten Parteien ermöglicht illegale Inhalte zu melden und definierte Aktionen folgen zu lassen.
- Wenn ein Inhalt entfernt wird, muss der Anbieter eine erklärende Argumentation bereitstellen, warum der Inhalt entfernt wurde.
Diese Regelungen werden für Online-Plattformen um die folgenden Punkte erweitert:
- Nutzer:innnen müssen eine einfache Möglichkeit haben, sich über das Entfernen von eigenen Inhalten zu beschweren
- Es muss dem/der Nutzer:in dann möglich sein, den Fall ohne den Einbezugs eines Gerichts anfechten zu können
- Es soll von Behörden der Mitgliedsstaaten ernannte ”trusted flaggers“ geben, die Expertise im Umgang mit illegalen Inhalten besitzen. Diese sollen die Möglichkeit haben, eine priorisierte Anfrage zum Löschen eines illegalen Inhalts abzugeben (Artikel 19 & 21).
- Der Service-Anbieter soll vor wiederholten ungerechtfertigten Meldungen geschützt werden und die Möglichkeit haben, Gegenmaßnahmen im Falle von wiederholt falschem Verhalten eines ”trusted flaggers“ einleiten können (Artikel 20).
- Der DSA Vorschlag führt das ”know your business customer“-Prinzip ein, mit dem Plattformen verpflichtet sind, die Informationen ihrer Geschäftspartner, wie etwa Aktienhändler, zu verifizieren, bevor diese ihre Dienste nutzen dürfen (Artikel 22).
Alle oben beschriebenen Regelungen gelten auch für sehr große Online-Plattformen. Aufgrund ihres bedeutend größeren Einfluss auf Gesellschaft und Wirtschaft sind angepasste Regelungen für sehr große Online-Plattformen, wie etwa Meta (vormals Facebook), Twitter, Google, etc. erforderlich. Um den damit verbundenen Risiken für die Gesellschaft entgegenzuwirken, werden folgende Risikominderungsmaßnahmen ergriffen:
- Die Anpassung von Empfehlungssystemen und Systemen zur Inhaltsmoderation, um die Verbreitung von illegalen Inhalten zu minimieren
- Die Beschränkung der Anzeige von Werbung in Verbindung mit dem von ihnen erbrachten Dienst
- Die Stärkung von internen Prozessen und die Beaufsichtigung ihrer Tätigkeiten im Hinblick auf die Erkennung von systemischer Risiken
- Die Zusammenarbeit mit vertrauenswürdigen Hinweisgebern gemäß Artikel 19
- Die Zusammenarbeit mit anderen Online-Plattformen anhand der in Artikel 35 und Artikel 37 genannten Verhaltenskodizes bzw. Krisenprotokolle
Was für eine Bedeutung hat das Gesetzespaket für Europa?
Die Bedeutung des Gesetzes für Europa lässt sich aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten:
- Aus Gesetzgebersicht: Mit dem Gesetzespaket soll eine zeitgemäße, einheitliche europäische Gesetzgebung erreicht werden.
- Aus Nutzersicht: Mit dem DSA werden die Mechanismen zur Entfernung illegaler Inhalte und zum wirksamen Schutz der Online-Grundrechte der Nutzer, einschließlich der Redefreiheit, erheblich verbessert.
- Aus ökonomischer Sicht: Mit dem DMA möchte man, die von sehr großen Online-Plattformen geschaffenen Eintrittsbarrieren zu reduzieren und damit das Gründen von Technologieunternehmen im europäischen Raum attraktiver zu gestalten.
Links zum Weiterlesen
Gesetzesvorschlag (weitesgehend umgesetzt)